
Arbeitsalltag eines Piloten
Autor: „Air-Busfahrer“. Ein ganz normaler Arbeitstag… Es ist ein typischer Wintermorgen. Bedeckt, etwas diesig, minus 4 Grad. 05:20 auf der A59.
Ich biege ab Richtung Flughafen Köln-Bonn, Crew-Parkplatz. Mein Job: Pilot bei einer Verkehrsfluggesellschaft. Unser Auftrag heute: zweimal Köln-München und zurück, oder auch „Doppel-MUC“, wie es bei uns heißt, eine typische Tagestour.
Check-In, fliegersprachlich für „Dienstbeginn“, ist um 05:50. Vom Parkplatz gehe ich auf kürzestem Wege zum Personaleingang, wo auch die Sicherheitskontrolle ist.
Dort stehen bereits einige Kollegen und warten. Ich stelle mich an und hole schon mal den Laptop aus meiner Tasche, lege das Handy, meine Uhr, die Jacke in die Box zum Durchleuchten. Die kurze Wartezeit in der Schlange überbrückt man mit dem üblichen Smalltalk: „ Na, wohin fliegt ihr heute…?“
Danach geht es durch die Personenschleuse. Kein Piepen, sehr schön, das erspart mir die Einzelkontrolle. Die Frage, warum ausgerechnet das fliegende Personal auch so scharf kontrolliert wird, stellt man sich im Laufe der Zeit gar nicht mehr und lässt die Kontrollen geduldig über sich ergehen. Am anderen Ende des Förderbandes der Anlage wird alles wieder verstaut und angezogen und ich begebe mich zur nächsten Station, dem Beamten des BGS oder Bundespolizei, wie es seit kurzem heißt. „Nach München“, sage ich ihm und zeige meinen Flughafenausweis vor, was er mit einem „Danke, guten Flug!“ erwidert und die Türe per Knopfdruck öffnet.
Vorbereitung der Flugdaten
Schnellen Schrittes geht es weiter in Richtung Briefing-Räume, wo bereits einige Kollegen vor Ort sind. Nach kurzer Begrüßung suche ich mir eine freie Dockingstation für mein Laptop. Nach dem Hochfahren, der Netzwerkanmeldung und dem obligatorischen Laden der Updates drucke ich mir zuerst den „Tagesbefehl“, wie ich ihn scherzhaft nenne, aus.
Dies ist eine Übersicht, wo nochmals meine Flüge nebst Flugzeiten und erwarteter Passagierzahlen daraufstehen, sowie eine Liste der Namen der Crewmitglieder und das allerwichtigste: welchen Flieger wir heute haben. Mit Freuden sehe ich, dass ich heute mit dem Kollegen fliege, der auch geplant war, es hat also keine kurzfristige Änderung gegeben. Ein netter Zeitgenosse. Wir sind schon oft miteinander geflogen, zuletzt etwa vor 4 Wochen.
Mit ihm stellt sich immer eine ruhige und entspannte Arbeitsatmosphäre ein, was mir sehr entgegenkommt. Bis dahin also beste Voraussetzungen für einen schönen Arbeitstag. In der Zwischenzeit ist der Drucker fast fertig mit dem Drucken unserer Flugunterlagen, des sogenannten Briefing-Packages.
Fast zeitgleich trifft mein Kollege ein. Auch hier eine kurze Begrüßung und man tauscht die privaten „Updates“ seit dem letzten gemeinsamen Flug aus. „Wie war der Urlaub?“, „Was machen die Kinder?“ Wie weit ist der Hausbau?“ etc.
Das Briefing
Dann geht es wieder ans Werk und wir sehen und die Briefingunterlagen an. Zweimal Köln-München steht wie gesagt für heute auf dem Plan. Zunächst sehen wir uns die Wetterdaten an. Köln meldet für den ganzen Tag tiefliegende Wolken, Sichtweiten um 8 km, schwache Winde aus Südwest, mit 30% Wahrscheinlichkeit für leichten Schneefall ab 16 Uhr.
Letzteres betrifft uns nicht mehr und die übrigen Bedingungen sind zwar nicht das, was man gemeinhin als schönes Wetter bezeichnen würde, aber aus fliegerischer Sicht ist das Wetter unproblematisch. In München sieht es auch gut aus. Wolkenlos, Sichten über 10 km, Winde mit 10 Kt aus Westen, laut Vorhersage etwa gleichbleibend für den Rest des Tages.
In gleicher Weise sehen wir uns die sogenannten „Alternates“ an, also die Ausweichflugplätze. Es beginnt mit dem „Arrival Alternate“, dem Ausweichplatz, falls wir München nicht anfliegen können. Nürnberg sieht der Flugplan hierfür vor. Nürnberg verfügt über einen Low-Visibility-Anflug CAT3. Für die Planung als Ausweichflughafen muss die Wettervorhersage eine Stunde vor und nach unserer geplanten Ankunftszeit einen Anflug nach der nächst niedrigeren Anflugstufe, hier also CAT1 erlauben. Das Minimum wäre also eine Wolkenuntergrenze von 200ft und eine Sicht auf der Bahn von 550 Metern. Nürnberg meldet 8 km Sichtweite, leichter Dunst und keine signifikante Bewölkung.
Die Minima werden also bei weitem übertroffen und wir können Nürnberg, zumindest von den Wetterbedingungen her, als Ausweichplatz akzeptieren, vorbehaltlich der Überprüfung der NOTAMS, doch dazu später mehr. „Enroute“, also unterwegs, sieht es auch gut aus, Frankfurt liegt auf dem Weg und wäre notfalls anfliegbar, ebenso wie Düsseldorf, unser Arrival Alternate für den Rückflug.
Dann geht es an die sogenannten NOTAMS, ein Akronym für „Notice to Airmen“, etwa vergleichbar einem Baustellen- und Staubericht für Autofahrer. Hier stehen alle kurzfristigen Änderungen der AIP (Aeronautical Information Publication) drin, also alles was abweicht von dem was an Karten und sonstigem Informationsmaterial veröffentlicht wurde.
Ein Blick auf Köln zeigt zum Beispiel, dass heute von 08:00 bis 16:00 die Runway 24 gesperrt ist und dass Funkfeuer „LW“, das in der Anfluggrundlinie der Runway 24 steht, heute von 09:00 bis 14:30 getestet wird und nicht zur Navigation genutzt werden darf. Dies sind jedoch beides Dinge, die uns heute nicht einschränken, da man bei dem heute vorherrschenden Wind ohnehin auf der Runway 14L starten und landen wird.
In München sind einige Taxiways geschlossen, was uns aber auch nicht weiter stört, da diese auf die Südbahn führen, wir hingegen fast immer auf der Nordbahn landen. Wir behalten es im Hinterkopf und falls wir doch auf die Südbahn müssen, sehen wir uns das vor der Landung nochmal genauer an. Düsseldorf und Nürnberg melden keine signifikanten NOTAMS für uns, so dass wir sie endgültig als Alternates akzeptieren können.
Es folgt in Blick auf die „Significant Weather Chart“, eine Wetterkarte, auf der für Flugzeuge relevante Wettererscheinungen eingetragen sind, wie etwa Gewitter, Jet-Streams, Turbulenzgebiete, Wolkengebiete mit Vereisungsbedingungen etc. Es zeigt sich, dass auf der Route eine sogenannte CAT-Area, ein Gebiet mit Klarluftturbulenz liegt, beginnend bei FL 230, also Flight Level 230, was 23.000 ft über Meereshöhe basierend auf einem Referenzluftdruck von 1013 hPa entspricht.Die Obergrenze ist mit FL 340 eingetragen. Unser Flug ist geplant in FL 310, folglich sind wir mittendrin und haben uns auf etwas „Gewackele“ einzustellen.
Danach überprüfen wir die Flugpläne, vier Stück an der Zahl, für jeden Flug einer. Auf dem Flugplan stehen unzählige Informationen, die man aber mit geübtem Blick sehr schnell überschauen kann. Die Kopfzeilen beinhalten Flugzeugregistrierung, Datum, Erstellungsdatum der zugrunde gelegten Winddaten etc. Es folgt eine Aufstellung der vorausberechneten Gewichte auf Basis der erwarteten Passagier- und Beladungszahlen, sowie der sich daraus ergebenden Treibstoffmengen und der voraussichtlichen Flugzeit.
Planung der Treibstoffmenge
Eine kleine Besonderheit heute ist, dass seitens der Firma vorgeschlagen wird, „durchzutanken“, also so viel Treibstoff mitzunehmen, dass dieser für den Rückflug ausreicht und in München nicht getankt werden muss. Der Grund liegt darin, dass wir in Köln als Großabnehmer wesentlich günstigere Konditionen bekommen als in München und sich die Sache somit trotz des Mehrverbrauchs für den zusätzlichen Treibstoff finanziell rechnet. Der Plan wurde bereits entsprechend vorgerechnet. Beim überschlägigen Nachrechnen stellen wir fest, dass wir dann in Köln mit mindestens 500 kg, in Flugzeit ausgedrückt etwa 12 Minuten, über dem geforderten Minimum wieder ankommen werden. In der Praxis ist es eher mehr, bedingt durch die Ersparnis durch Abkürzungen.
Einvernehmlich kommen wir zu dem Schluss, dass wir die vorgetankte Menge akzeptieren. Andernfalls hätte der Tankwagen nochmals anrücken müssen. Das Minimum beinhaltet dabei bereits den Treibstoff, um von Köln zum Ausweichplatz Düsseldorf zu kommen, einen 5% Unsicherheits-Zuschlag sowie eine 30-Minuten Reserve. Der abschließende Blick gilt dem „Technical Status“ der Maschine. Für unsere Maschine ist keine Eintragung vorhanden, also gibt es auch von der Seite her keine Einschränkungen.
Per Laptop bestelle ich den Treibstoff bzw. bestätige das, was in der Nacht bereits aufgetankt wurde, während mein Kollege auf dem Bildschirm an der Wand nachsieht, wo unser Flieger geparkt ist. Die letzte entscheidende Frage stellt er im Anschluß: „Was willst Du fliegen?“ Hierbei geht es um die Aufteilung, wer Pilot-Fying (PF) bzw. Pilot-Non-Flying (PNF) ist. PF fliegt das Flugzeug und PNF kümmert sich um Navigation, Funk etc. Auf dem Rückweg wird dann getauscht. „Mir egal.“ antworte ich, woraufhin mir mit seinem „Mir auch.“ die Entscheidung zufällt.
Ich entscheide mich für 1 und 4, was bedeutet, daß ich auf dem ersten und vierten Flug PF und auf dem zweiten und dritten PNF sein werde.
Nach etwa 15-20 Minuten ist unsere Vorbereitung damit fürs erste beendet und wir begeben uns auf den Weg zur „Briefing-Box“, wo die Kabinenbesatzung zeitgleich mit uns ihre Vorbesprechung begonnen hat. Dabei wird ausgemacht, wer welche Position besetzt, wann und wie der Service durchgeführt wird, wer welche Ansagen übernimmt etc. Ein weiterer Bestandteil ist, dass wochenweise bestimmte Themen nochmals durchgesprochen werden. Beim Betreten der Box höre ich, dass diese Woche das Thema „Verhalten bei Startabbruch“ besprochen wird.
Wir begrüßen uns kurz, das Vorstellen erübrigt sich, man kennt sich ja. Neben den geplanten Flugzeiten geben wir eine grobe Übersicht über die zu erwartenden Wetterverhältnisse sowie die Warnung vor Turbulenzen im Reiseflug weiter. Bei der Vorbesprechung der Kabinenbesatzung kam eine technische Frage bezüglich des Bremsvorganges beim Startabbruch auf, die wir natürlich gerne beantworten. Die Schwierigkeit dabei ist, nicht zu sehr ins technische abzugleiten, sondern es irgendwie verständlich zu erklären.
Im Cockpit
Nachdem alles besprochen ist – es ist mittlerweile 06:12 -, begeben wir uns auf den Weg zum Flugzeug, das etwa 3 Minuten Fußweg entfernt geparkt ist. Aus einiger Entfernung sehen wir Licht im Cockpit, ein Zeichen, dass die Techniker schon da sind, was ganz besonders die Kabinenbesatzung erfreut, da der Innenraum der Maschine dann schon geheizt ist. Beim Erklimmen der Treppe sehen und riechen wir die Enteisungsflüssigkeit, die vom Flügel herunter tropft. Der Flieger wurde also scheinbar vorenteist, was der Techniker uns bei der Begrüßung bestätigt und uns den „Enteisungszettel“ sowie den Tankbeleg übergibt. Auf dem Enteisungszettel stehen u.a. Uhrzeit der Enteisung, Typ, Mischung und Menge des verwendeten Mittels.
Der Techniker geht mit uns das sogenannte „Tech-Log“ durch, eine Art Inspektionsheft. Daily-Check und Weekly-Check wurden durchgeführt, es sind keine eingetragenen Beanstandungen offen und während der Nacht wurde ein beschädigter Reifen sowie 2 Leuchtstoffröhren der Kabinenbeleuchtung gewechselt. Damit ist die Übergabe vollzogen und der Techniker verabschiedet sich. Nachdem unsere Jacken und Taschen verstaut sind, folgen die ersten Cockpit-Checks. Es wird die Vollständigkeit der Notfallausrüstung, der zum Flugzeug gehörenden Dokumente, die Funktion der Sauerstoffmaske etc. geprüft.
Der Kollege führt seine Cockpit Checks durch und begibt sich dann auf den Außencheck, während ich die Vorhaltezeit der Enteisung nachschlage und anhand des Tankbeleges und der Restmenge des vorhergehenden Fluges überprüfe, ob die Tankanzeige korrekt anzeigt. „5476 Liter geliefert von Air BP“ gebe ich in das ACARS-System ein, dass die Daten automatisch zur Abrechnung an unsere Firma überträgt. „Differenz Null“ zeigt mir an, dass alles in Ordnung ist.
Dann folgen weitere Checks der Systeme und Grundeinstellungen, eine Überprüfung, ob die notwendigen Karten an Bord sind sowie der Gültigkeit der Datenbasis des Flight Managemant Systems (FMS) etc. Ich lasse mir per ACARS-System nochmals die letzten Wettermeldungen von Köln und München senden und beginne mit der Dateneingabe in das FMS.
Im ersten Schritt des Setup wird Start- und Zielflughafen, Reiseflughöhe, Flugnummer etc. eingegeben. Es folgt die eigentliche Route, Winddaten, An- und Abflugroute, Einstellung der Funkfeuer etc. Unsere Purserette (Kabinenchefin) erkundigt sich, ob bei uns alles planmäßig läuft und holt sich das OK ab, dass die Passagiere wie geplant einsteigen können.
Wie gerufen spuckt der kleine Drucker des ACARS den Belade- und Schwerpunktplan (Loadsheet) aus, den uns die Zentrale auf diesem Wege geschickt hat. Dieser enthält die aktuellen Passagierzahlen, die Gewichtsdaten sowie die Schwerpunktlage und die sich daraus ergebende Grundeinstellung der Höhenrudertrimmung für den Start.
Während mein Laptop aus dem Schlaf erwacht, überprüfe ich die Daten auf dem Loadsheet. Das Abfluggewicht und die Wetterdaten werden in ein Performance-Calculation-Programm eingegeben, welches die Startdaten berechnet. Mein Kollege ist inzwischen zurück vom Außencheck und beginnt mit der Überprüfung meiner bisherigen Eingaben.
Das Performance-Programm hat seine Berechnungen inzwischen längst beendet und bietet die Möglichkeit einer reduzierten Startleistung an, die es erlaubt, nur soviel Schub zu verwenden, um alle Steigleistungsanforderungen zu erfüllen, zur Not auch mit nur einem Triebwerk. Dabei werden gleichzeitig die Triebwerke geschont und die Lärmbelastung reduziert. Die Leistung kann im Notfall jederzeit auf Maximum erhöht werden. Wir entscheiden uns für diese Variante, die im Normalfall den Standard darstellt.
Nach Eingabe der Daten folgt das sogenannte „Departure Briefing“, bei dem wir u.a. durchsprechen, wie wir den Abflug durchführen, was wir im Falle eines Triebwerksausfalls tun werden und unter welchen Bedingungen wir den Start abbrechen. Damit wären unsere Vorbereitungen abgeschlossen.
Aus dem Funkgerät der Rampagentin, die an der Cockpittüre steht, quäkt es „….München 129 plus 0 boarding completed….“, was soviel bedeutet, dass wir 129 Passagiere und keine Kinder unter 2 Jahren an Bord haben. Das deckt sich mit den Angaben auf unserem Loadsheet und die Purserette bestätigt 129 an Bord.
Vorbereitungen für den Start
Es ist 06:40, 10 Minuten vor der geplanten Zeit, als wir die Papiere der Rampagentin mitgeben und diese das Flugzeug verlässt, die Türen geschlossen und die Brücke abgezogen wird. Wir beeilen uns, diesen Vorsprung zu erhalten, um vor der „großen Welle“ wegzukommen.
Der Fahrer des Pushback-Trucks hat sich mittlerweile mit seinem Headset ins Intercom eingestöpselt und grüßt mit einem „Juten Tach“. Mein Kollege geht mit ihm die Checks durch, ob alles Bodenequipment entfernt ist, alle Türen und Klappen geschlossen sind, etc, während ich mich per Funk mit „Cologne Delivery“ unterhalte und die Anlass- und Streckenfreigabe einhole.
„…Startup approved, cleared München via KUMIK four bravo departure, squawk 3552“ ertönt die Antwort aus dem Lautsprecher. Das bedeutet, wir dürfen die Triebwerke anlassen, haben die Freigabe für den Flug nach München über die Abflugroute mit der Bezeichnung KUMIK 4B, wie sie bei uns in den Karten und im FMS hinterlegt ist und stellen im Transponder unsere zugewiesene Kennung 3552 ein.
Nun geht es los, das Bugrad ist inzwischen angehoben worden, die „Before Start Checklist“ wird abgearbeitet und dann wird während des Zurückschiebens das Triebwerk 2 gestartet, danach Triebwerk 1. Der Pushback ist beendet, wir werden wieder abgesetzt und während sich der Kollege vom Fahrer die Freigabe bestätigen lässt, nehme ich die Einstellungen für den Start vor. Klappen setzen, Trim einstellen, Spoiler armieren, automatische Bremse auf Maximum, Steuerflächen überprüfen. Die „After Start Checklist“ schließt dieses Prozedere ab.
„Taxi to holding point A7 runway 14L“ lautet die Antwort auf meine Bitte um Rollfreigabe bei „Cologne Ground“. Parkbremse los, etwas Schub geben und wir rollen los. Die Taxikarte bleibt verstaut, bei über 200 Starts und Landungen pro Jahr auf der Homebase kennt man sich aus. Der Rollweg ist nur sehr kurz, nach 2 Minuten nähern wir uns der Bahn, wir haben es geschafft und sind die ersten an der Bahn.
Bereit zum Abheben
Zeitgleich übergibt uns der Bodenlotse an den Tower und das auf unserem Display blinkende „Cabin Ready“ bestätigt, daß die Kabine für den Start vorbereitet ist. Nach der Takeoff-Checklist, die auch eine automatische Überprüfung der Startkonfiguration beinhaltet, melden wir uns beim Tower abflugbereit. Es folgt die Startfreigabe: „….Wind 190 with 5, Runway 14L cleared for takeoff.“ Wir bestätigen und die Schubhebel werden nach vorn geschoben, zuerst langsam auf 50%, um zu sehen, ob beide Triebwerke gleichmäßig hochlaufen. Das Hochlaufen aus dem Leerlauf dauert etwa 3 Sekunden. Nachdem die 50% auf beiden Seiten stabil sind, werden die Hebel in Startstellung geschoben, die FLEX/MCT-Raste, wie es bei Airbus heißt.
Dann setzt die Beschleunigung ein, 24 Tonnen Schubkraft haben leichtes Spiel mit unserem leichten Flieger. Nach wenigen Sekunden ein kurzer Check des Geschwindigkeitsmessers: „One hundered“ – „Checked“. Bei 135 Knoten ruft der Kollege „V1“, das Zeichen, dass der Start nicht mehr abgebrochen werden kann. Eine Sekunde später folgt „Rotate“ und ich hebe die Nase vorsichtig auf 14 Grad. Wir fliegen.
Das Fahrwerk wird eingefahren, in 1100ft verschwinden wir in den Wolken. Bei knapp 2000ft reduziere ich die Leistung auf Steigleistung (Climb Power) und den Winkel auf etwa 10 Grad. Mein Kollege meldet sich verfahrensgemäß bei „Langen Radar“, der Abflugkontrolle mit Sitz in Langen, die uns auf den Airway führen wird.
Das Flugzeug beschleunigt indessen und auf meine Anweisung „Flaps Zero“ fährt mein Kollege die Klappen ein. Eine nette Frauenstimme von Langen Radar antwortet uns mit „….Radar Contact, climb fligt level 140, out of 60 direct KUMIK, highspeed approved.“ Aha, hier ist also auch noch nichts los. Ich drehe den Flight Level 140 in die Steuereinheit (FCU) des Autopiloten und aktiviere denselben. Sobald wir FL 60 passieren dürfen wir die Abflugroute verlassen und direkt zu dem Endpunkt fliegen, der auf dem Airway liegt und sich KUMIK nennt. Die Wegpunkte haben alle solche frei erfundenen Namen mit 5 Buchstaben, von denen 2 Vokale sind, damit man sie vernünftig aussprechen kann.
Die Abkürzung spart etwas über eine Minute oder etwa 50 kg Treibstoff. Besser als nichts. Diese Minute durch schnelleres Fliegen aufzuholen würde weit über 100kg kosten. Auf das Angebot, das Speedlimit von 250 Knoten unterhalb FL100 zu überschreiten verzichten wir, da wir gut in der Zeit liegen und stattdessen lieber schneller steigen, um aus den Wolken zu kommen. Man sieht am Eisindikator bereits leichten Eisansatz, den uns die Enteisungsanlage aber zuverlässig vom Leib hält.
Kurz darauf müssen wir uns von der netten Frauenstimme auch schon wieder verabschieden und werden an den angrenzenden Sektor, der ebenfalls von Langen kontrolliert wird, weitergegeben. Der Lotse, diesmal eine Männerstimme, lässt uns auf FL 250 steigen und gibt uns kurz darauf eine Abkürzung nach BOMBI, einem Wegpunkt nahe Frankfurt. Bei FL 160 durchstoßen wir die Wolkenobergrenze und werden von der Morgenröte begrüßt. Gerade im Winter ist es sehr schön, wenigstens ein paar Stunden am Tag die Sonne zu sehen.
Die Enteisungsanlage wird abgeschaltet und wir nähern uns der Grenze des unteren Luftraumes, die bei FL 245 liegt. Folgerichtig werden wir bei FL 230 an den Lotsen des oberen Luftraumes,der sich „Rhein Radar“ nennt, übergeben. Dieser gibt uns auf FL 310 frei und schickt uns direkt nach Dinkelsbühl, wo ein Funkfeuer steht, das einen Wegpunkt der Route darstellt.
Der Reiseflug
Nach 18 Minuten Flugzeit haben wir die Reiseflughöhe erreicht, befinden uns in der Gegend um Aschaffenburg und sehen die Sonne aufgehen. Zeit für Papierkram. Karten von Köln wegpacken, Karten von München herausnehmen, ein kurzer Treibstoff-Check, ein Blick über die System-Informationsseiten des ECAM Systems, einen Wetterbericht von München anfordern etc.
Alles läuft bestens. Pünktlich gestartet, direkt auf Reiseflughöhe durchgestiegen, gute Abkürzungen bekommen, und so wie das FMS vorausberechnet, werden wir etwa 5 Minuten vor der geplanten Zeit in München ankommen. Die angekündigten Turbulenzen haben sich auch noch nicht blicken lassen.
Es kehrt ein wenig Ruhe ein. Zeit um kurz ins Brötchen zu beißen, einen Schluck zu trinken und sich etwas mit dem Kollegen zu unterhalten, während wir nebenbei den Ausdruck des Wetterberichts lesen, den das ACARS ausgespuckt hat. Unsere Purserette besucht uns im Cockpit und erkundigt sich nach dem Stand der Dinge.
Das Wetter in München ist unverändert. Man kann bereits sehen, dass das Wolkenband unter uns in etwa 120km enden wird. Ich übergebe meinem Kollegen die Kontrolle und mache die übliche Ansage an die Passagiere. Nicht zu ausführlich, denn die Passagiere sind fast ausnahmslos Geschäftsleute, welche die Strecke dreimal pro Woche fliegen und in erster Linie Ruhe haben wollen.
BUCH: Zur Not kann die Kiste auch segeln: Ein Flugkapitän erzählt (hier klicken)
Einige Minuten später ist es auch schon wieder Zeit, die Reiseflughöhe zu verlassen, da wir bei Dinkelsbühl auf FL 150 sein sollen. Von dort werden wir auf die Anflugroute geführt werden. Es folgt ein sogenanntes „Descent Briefing“. Wir besprechen die Geländesituation, Mindesthöhen, Treibstoffsituation, Wetterlage zum Anflug etc. Für München ist dies alles relativ unspektakulär, da das Wetter heute gut ist, wir wegen des Durchtankens jede Menge Treibstoff haben und rund um München keine Berge oder sonstige Hindernisse anzutreffen sind. An anderen Plätzen muss man sich allerdings über diese Punkte genauer Gedanken machen.
Wir nutzen die Stille im Funk, um gleich noch das „Approach Briefing“ hintendran zu hängen. Dabei gehen wir zusammen u.a. die Eingaben im FMS durch, sprechen den Anflug durch und die Wegführung im Falle eines Durchstartens. Wir erwarten einen ILS-Anflug auf die Runway 26R, also die Nordbahn mit Landerichtung West.
Die Bahn ist trocken, was bei unserem Landegewicht von 59 Tonnen eine benötigte Landestrecke von etwa 1300m ergibt. Zur Verfügung stehen 4000m. Da wir eine enge Staffelung im Anflug erwarten, stellen wir die automatische Bremse auf „Medium“, so dass wir problemlos die erste Abfahrt von der Runway nehmen können und den folgenden Verkehr nicht aufhalten.
Vorbereitungen für die Landung
Wir werden an den Anflugsektor „Munich Radar“ übergeben und auf FL 80 geschickt mit der Freigabe, direkt nach DM421, danach zu DM429 zu fliegen. Dies sind zwei Wegpunkte auf der Anflugroute, sie bedeuten faktisch wieder eine Abkürzung. Es wird geschäftiger im Funk und man sieht auf dem TCAS-Display immer mehr Flugzeuge auftauchen. In der Ferne ist München schemenhaft zu erkennen, ebenso wie die mit tausenden von Autos übervölkerten Autobahnen.
Wir werden gebeten, unsere Geschwindigkeit von 280 auf 310 Knoten oder mehr zu erhöhen. „Der will uns loswerden!“ scherzt mein Kollege, wohl wissend, dass der Lotse in Wirklichkeit noch eine Lücke frei hat, in die er uns einfädeln will, damit wir uns nicht ganz hinten anstellen müssen. Auf dem Weg ostwärts nach DM429 sehen wir uns in korrektem Abstand aufgereiht zu vorausfliegenden Flugzeugen und erkennen das System, das der Lotse verfolgt.
Wir hören im Funk die Anweisungen an die anderen Flugzeuge mit und können ihre Bewegungen auf dem TCAS-Display verfolgen. Zu wissen, wann man auf den Landekurs geschickt wird und wann man die finalen Sinkflugfreigaben erhält, hilft bei der eigenen Planung. Wir haben mittlerweile die Geschwindigkeit auf Anordnung des Lotsen auf 230 Knoten reduziert und hören mit, wie das Flugzeug vor uns auf den Landekurs geschickt wird. Ein kurzer Check: Geschwindigkeit, Höhe, verbleibende Distanz… passt. Dann sind wir an der Reihe. „….turn left heading 290, descent 5000ft, cleared ILS runway 26R, reduce speed 200 Knots or less.
Alles wie erwartet. Der ILS-Sender ist verifiziert und wir schwenken auf den „Localizer“, den lateralen „Leitstrahl“ ein, während die Geschwindigkeit langsam 220 Knoten passiert. Wir setzen die Klappen auf Stellung 1 und behalten die 5000ft wie angewiesen bei.Etwa 12 Meilen von der Bahn entfernt fahren wir die Klappen auf 2, verlassen die 5000ft und folgen dem Gleitwegsignal des ILS, das uns in einem Sinkwinkel von 3° zur Bahn führen wird. In 200ft müssten wir dann spätestens die Bahn sehen, um landen zu können, andernfalls müssten wir durchstarten. Auch das ist heute unspektakulär, denn wir passieren gerade 4000 ft und ich sehe die Anflugbefeuerung bereits.
Da wir scheinbar auf den Flieger vor uns auflaufen, fahren wir das Fahrwerk 2 Meilen früher als normalerweise aus, damit sich die Geschwindigkeit schneller verringert. Wir passieren 160 Knoten und fahren die Klappen auf 3, dann auf „Full“, die Landestellung. Wir lesen die Landing Checklist, ich schalte den Autopiloten aus und übernehme manuell. Die Geschwindigkeit nähert sich langsam 132 Knoten, unserer Anfluggeschwindigkeit. Ich erhöhe die Schubleistung, um die Geschwindigkeit beizubehalten.
„One Thousand“ ertönt die Computerstimme und will berichten, dass wir 1000ft über Grund sind. Das ist das Limit, an dem wir die Landekonfiguration (Klappen, Fahrwerk) und die Anfluggeschwindigkeit erreicht haben und uns auf horizontalem und vertikalem Leitpfad befinden müssen, der Anflug also „stabilisiert“ sein muss. Wären wir an diesem Punkt außerhalb dieser Limits, müssten wir durchstarten.
Heute passt alles, wir waren in 1400ft über Grund stabilisiert, wurden mittlerweile an den Tower übergeben und haben die Landefreigabe bereits erhalten, da sich der Kollege vor uns netterweise beeilt hat, von der Bahn abzurollen. Im Endanflug schütteln uns die Verwirbelungen des vor uns gelandeten Flugzeuges leicht durch, was ich aber ebenso leicht korrigieren kann.
Der Landeanflug
Dann kommt der spannende Moment, wir überfliegen den Zaun des Flughafens, dann die Landebahnschwelle und die Computerstimme zählt herunter: fifty, forty, thrity, twenty. Ich hebe die Nase leicht an, während die „Ten“ ertönen und reduziere den Schub auf Leerlauf. Die automatische Erinnerung „Retard, Retard“ der Computerstimme kommt trotzdem. Mit einen leichten Ruck setzt der Flieger auf. Während ich die Nase langsam absenke, setzte ich die Schubhebel auf „Reverse“.
Die automatische Bremse aktiviert sich und mit lautem Fauchen setzt die Schubumkehr ein. Die Geschwindigkeit fällt sehr schnell. Beim Passieren von 90 Knoten nehme ich die Schubumkehr zurück auf Leerlauf und deaktiviere die automatische Bremse, um schneller zu unserer Ausfahrt zu gelangen, die noch ein gutes Stück entfernt ist.
Ich fahre beim Abrollen die Groundspoiler ein und gebe meinem Kollegen damit das Signal, mit den „After Landing Items“ zu beginnen. Diese beinhalten das Starten des Hilfstriebwerks (APU), das Einfahren der Klappen etc. Der Bodenlotse, den wir nach dem Abrollen von der Bahn kontaktieren, weist uns die Route zum „Apron“, dem Vorfeld.
Dort werden wir an den Apron-Lotsen übergeben, der uns unseren Parkplatz zuweist. Ein „Follow-Me“-Auto wird in München standardmäßig nicht eingesetzt, das Wegesystem ist so eingerichtet, dass man alleine den Weg findet und nirgends Gefahr läuft, anderen in die Quere zu kommen. Den Platz eines Einweisers hat ebenfalls eine elektronische „Docking-Guidance“ eingenommen, die einem anzeigt, ob man am Parkplatz auf der Mittellinie fährt und wie weit man vorrollen muss.
Die Parkbremse wird gesetzt, die Triebwerke abgeschaltet und mit der „Parking Checklist“ ist der Flug für uns beendet, knapp 10 Minuten vor der geplanten Zeit. Das Bodenpersonal strömt auf das Flugzeug zu und beginnt mit seinen Arbeiten. Der Brückenfahrer hat sein Arbeitsgerät an unsere Türe angedockt und gibt durch sein Anklopfen das Signal, dass die Türe geöffnet werden kann. Unterdessen haben wir unseren Papierkram beendet, die Flugzeiten und die verbleibende Treibstoffmenge ins Flugzeug-Logbuch eingetragen. Dank der zahlreichen Abkürzungen, die wir auf dem Flug bekommen haben, haben wir nun 300 kg Treibstoff mehr an Bord als geplant.
Der Rückflug
Sofort beginnen unsere Vorbereitungen für den Rückflug und es wiederholt sich das gleiche Prozedere wie zuvor in Köln, diesmal mit vertauschten Rollen. Mein Kollege wird Pilot-Flying sein und ich als Pilot-Non-Flying werde den unterstützenden Part übernehmen.
Während ich mir die signalgelbe Jacke anziehe und mich auf dem Weg zum Außencheck begebe, kommt der Rampagent mit einem urbayrischen „Servus miteinnand’“ herein. Er gibt uns die vorläufigen Passagierzahlen, die Beladungsverteilung und erkundigt sich, wann das Boarding der Passagiere beginnen soll.
Während ich den Außencheck durchführe und mein Kollege das FMS programmiert, ist das Kabinenpersonal mit der Sicherheitskontrolle der Kabine beschäftigt. Dabei wird u.a. geprüft, ob alle Sicherheitsgurte intakt sind, die Schwimmwesten vorhanden sind und ob niemand etwas vergessen hat. Letzteres ist besonders für die Sicherheitsbehörden von Interesse, da die „vergessenen“ Gegenstände auch eingeschmuggelte Waffen oder Sprengkörper sein könnten.
Die weitere Vorbereitung läuft reibungslos und wir kommen nach etwa über 30 Minuten Bodenzeit wieder pünktlich in München weg. Das Ein- und Aussteigen hat bei fast voller Maschine etwas länger gedauert, da wir an einer „Brückenposition“ parken und nur der vordere Eingang zur Verfügung steht.
Der Flug verläuft auch problemlos, wir bekommen wieder eine gute Abkürzung, die uns 3 Minuten einbringt und trotz des Gegenwindes eine Ankunft wenige Minuten vor der geplanten Zeit ermöglicht. Wir bestellen während des Fluges schon die Treibstoffmenge für die zweite München-Tour. Da auf diesen Flügen weniger Passagiere gebucht sind und die Wetterbedingungen unverändert sind, werden wir in der Summe knapp über 100 kg weniger verbrauchen.
In Köln ist immer noch die Runway 14L in Betrieb. Aus der Richtung, aus der wir ankommen, würde es etwa 3-4 Minuten sparen, auf der Runway 24 zu landen, aber die ist ja leider, wie wir heute morgen in den NOTAM gelesen haben, geschlossen. Wir kommen trotzdem pünktlich und mit knapp 1000kg Extra-Fuel, etwa 500kg mehr als geplant, in Köln an. Der Blick auf Köln während des Anfluges bleibt uns heute wegen der Wolken leider verwehrt.
Es folgen wieder 30 Minuten geplante Bodenzeit mit Aussteigen und Einsteigen der Passagiere, den üblichen Vorbereitungen, Auftanken etc.
Zweiter Flug nach München
In Köln läuft es diesmal leider nicht so reibungslos. Beim Boarding fehlen 3 Passagiere, jegliche Aufrufe in der Abflughalle blieben bisher erfolglos. Wir weisen den Rampagenten an, das Gepäck der fehlenden Passagiere suchen zu lassen, da wir keine „herrenlosen“ Koffer mitnehmen dürfen.
Die angeforderten Enteisungsfahrzeuge haben inzwischen Position bezogen. Es schneit zwar nicht, allerdings haben wir uns beim Anflug durch die Wolken einen Eisansatz auf der Flügeloberseite eingefangen, der bei -3 Grad Außentemperatur trotz des +2 Grad „warmen“ Treibstoffes nicht abschmilzt. Die metallene Struktur des Flugzeugs ist einfach zu sehr ausgekühlt. Einer der fehlenden Passagiere ist inzwischen aufgetaucht und rennt sichtlich peinlich berührt Richtung Flugzeug.
Das Gepäck der zwei noch fehlenden Gäste wurde indes gefunden und ausgeladen. Wir warten bis zum letzten Moment und geben ihnen noch zwei Minuten, danach würde es dann zeitlich zu eng für uns werden. Die zwei Minuten verstreichen ergebnislos. Wir lassen die Türen schließen geben den „Eisbären“ das Signal, mit dem Enteisungsvorgang zu beginnen. Man lässt nur sehr ungern Passagiere zurück, aber wir müssen auch die Interessen der übrigen Gäste wahren, die gerne pünktlich ankommen würden.
Die Enteisung ist beendet. „…Killfrost MP2000, Typ 2, 50%, 753 Liter“ wird uns von der Enteisungscrew durchgegeben. Wir nehmen das zur Kenntnis und sehen mit einem Blick in die Tabelle, dass die Holdover-Time im Bereich von einigen Stunden liegt. Bei 4 Minuten Rollzeit zur Bahn sollte das wohl reichen. Es folgen Push-Back, Triebwerksstart, Rollen zur Bahn und schon sind wir wieder auf dem Weg nach München.
Der Verkehr hat mittlerweile spürbar zugenommen, trotzdem bekommen wir wieder einige Abkürzungen. Die Turbulenzen sind auch zur Stelle, allerdings deutlich schwächer als angenommen. Auf der Jagd nach der verlorenen Zeit fliegen wir etwas schneller,allerdings werden unsere Hoffnungen, trotz verspäteten Abfluges doch noch pünktlich anzukommen, mit Einflug in den München-Arrival-Sektor zerschmettert.
Wir hören sehr viele Flugzeuge auf der Frequenz und ein Blick auf das TCAS-Display zeigt uns die Flut an weißen Rauten, von denen jede ein Flugzeug darstellt. Sekunden später kommt wie fast schon erwartet die Anweisung „…reduce speed 230 or less“, also statt unserer 320 Knoten sollen wir auf 230 reduzieren, und das so weit noch vom Platz entfernt. Das kostet Zeit, genau genommen 5 Minuten, wie unser FMS sofort berechnet hat. Die pünktliche Ankunft ist damit nicht mehr zu erreichen.
Wir haken es gedanklich ab und konzentrieren uns ohne weitere Worte auf unsere Arbeit. Zu allem Überfluss dreht der Lotse uns wegen der einzuhaltenden Abstände relativ spät auf den Landekurs ein, was nochmals 2 Minuten kostet. Vor uns fliegt eine Boeing 777, die in der Wirbelschleppenkategorie „heavy“ eingeordnet ist, dementsprechend müssen wir ausreichend Abstand halten, um nicht in die von ihr verursachten Luftwirbel zu geraten.
Zweiter Rückflug und Feierabend
Die Landung verläuft ohne Besonderheiten und wir kommen mit 8 Minuten Verspätung an. Das Handling klappt gut in München, so dass wir 3 Minuten aufholen und mit 5 Minuten Verspätung ablegen. Der Flug nach Köln, den ich wieder als Pilot-Flying durchführe, läuft wiederholt reibungslos. Wieder fliegen wir schneller, und zu unserer Überraschung ist die Runway 24 in Köln früher als geplant wieder geöffnet worden. Der Wind aus Richtung 220 mit 9 Knoten ist auch ideal für eine Landung auf der 24. Nach Änderung der FMS-Programmierung auf die Runway 24 zeigt das FMS an, dass wir pünktlich landen werden. „Was will man mehr. Man darf ja auch mal Glück haben“, denken wir beide, ohne es auszusprechen.
In FL160 verabschieden wir uns innerlich vom Sonnenschein und tauchen hinab in das Grau-in-Grau rund um Köln.
Es folgt die vierte Landung für den Tag, die zweite für mich, die letzte für heute. Wir rollen zum Gate und unterhalten uns auf dem Weg dorthin darüber, was wir heute nach Feierabend noch vorhaben und wohin es morgen geht. Für den Kollegen steht Schwimmen mit den Kindern auf dem Plan, ich hoffe auf beständiges Wetter und will mich mit dem Mountainbike ein oder zwei Stunden in den Wald begeben. Der Kollege fliegt morgen nach Zürich und Berlin, bei mir steht einmal Palma und zurück auf dem Plan.
Die Parkbremse wird ein letztes mal gesetzt, die Triebwerke abgeschaltet, die Passagiere steigen aus, wir vervollständigen unsere Flugdokumente, packen die Karten weg und bereiten das Flugzeug für die Übergabe an die nächste Crew vor.
Die Kollegen stehen bereits in der Passagierbrücke. Sie wollen und müssen auch zeitig fertig werden, denn sie haben für ihren Flug einen Slot bekommen, also eine vorgeschriebene Startzeit. Den Slot zu verpassen, würde Wartezeit bedeuten, im Extremfall eine Stunde oder mehr. Unser Kabinenpersonal hilft den Kollegen und Kolleginnen der neuen Crew bei den Sicherheitschecks der Kabine, während wir uns nach erfolgter Übergabe des Flugzeuges kurz privat mit den Kollegen unterhalten. Mit der Durchsage „Security-Checks completed“ meldet die Purserette dem neuen Kapitän die Kabine klar zum Einsteigen. Wir verabschieden uns und begeben uns zusammen durch den Crew-Ausgang zum Parkplatz.
Insgesamt war es trotz kleinerer Unregelmäßigkeiten wie erwartet ein entspannter Arbeitstag.
Mit 4 Flügen haben wir heute über 450 Passagiere sicher an ihr Ziel gebracht und dabei um die 2000 km zurückgelegt.
Es ist kurz nach 13 Uhr. Ein ganz normaler Arbeitstag geht zu Ende…
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