Interview mit Pilot Torsten Kriegsmann

Interview mit Pilot Torsten Kriegsmann

Torsten Kriegsmann wurde 1977 geboren und wohnt in der Nähe von Frankfurt am Main. Im Februar 2001 hat er seine Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer mit dem Erwerb der ATPL (Arline Transport Pilots License) an der Lufthansa Verkehrsfliegerschule in Bremen abgeschlossen und hat damit sein damaliges Hobby, das Segelfliegen, zum Beruf gemacht.

Von 2001 bis 2007 flog er als Erster Offizier (Copilot) für die Lufthansa Regional Fluggesellschaft “Lufthansa CityLine” und wurde auf dem Flugzeugmuster “Avro RJ85″ (93 Sitzplätze) des Herstellers British Aerospace eingesetzt. Die Reiseziele waren meist mitteleuropäische Großstadtflughäfen.

Seit 2007 fliegt Torsten Kriegsmann als Erster Offizier für die “Condor” auf den Mustern “Boeing 757″ und “Boeing 767″ (265/270 Sitzplätze) und hat als Reiseziele weltweite Urlaubsorte.

Torsten Kriegsmann beantwortet im Treffpunkt Flugangst Forum fachmännisch, aber für den Laien verständlich, Fragen im Zusammenhang mit dem Fliegen und stellte sich freundlicherweise für ein Interview mit unserem Portal zur Verfügung.

Wie viel Flüge als Pilot/Copilot haben Sie bisher gemacht?
Ich war mittlerweile an der Durchführung von ca. 3200 Flügen beteiligt und habe dabei über 4500 Stunden in der Luft verbracht.

Müssen Piloten einen Alkoholtest vor dem Flug machen?
Nein. Es gibt lediglich an einigen Flughäfen sporadische Kontrollen.

Wieso wird das Meer soweit es geht umflogen?
Weil das Meer im Falle eines Notfalles welcher eine Zwischenlandung erfordert keine Ausweichflüghafen (Alternates) aufweist.

Fliegen Sie immer mit dem gleichen Copilot/Pilot, oder wechselt das laufend?
Nein, das wechselt laufend. Obwohl Tests erwiesen haben, dass ein eingespieltes Team ein wenig leistungsfähiger ist, ist es operationell nicht durchführbar. Hat der eine Urlaub müsste der andere ebenfalls Urlaub nehmen.
Ist der eine krank wäre der andere auch nicht einsetzbar, etc. Allerdings garantieren sogenannte SOP’s (Standard Operating Procedures), dass es keine Missverständnisse an Bord gibt was die Aufgabenverteilung angeht und somit kann wirklich jeder mit jedem fliegen.

Wie gehen Sie mit Flugängstlichen während des Fluges um? Können Sie sich da überhaupt um den Passagier kümmern?
Um flugängstliche Passagiere wird sich in der Regel sehr gut an Bord gekümmert (soweit es möglich ist). Allerdings übernehmen das unsere Flugbegleiter Kollegen, da wir ja als Piloten aus Sicherheitsgründen während des Fluges das Cockpit seit dem 11. September 2001 nicht mehr oft verlassen dürfen.
Ein Tip an dieser Stelle: Es sollte sich niemand schämen den Flugbegleitern beim Einsteigen zu erzählen dass er / sie unter Flugangst leidet. Nur wenn die Flugangst eines Passagiers bekannt ist kann man ihm helfen.

Wie viele Ihrer Passagiere haben durchschnittlich Flugangst bzw. fühlen ein Unwohlsein beim Fliegen?
Schwer zu sagen. Es melden sich eigentlich auf fast jedem Flug ein paar Passagiere. Ich gehe aber davon aus, dass in Wirklichkeit ca. ein drittel der Passagiere sich wenigstens unwohl an Bord fühlt was aber auch völlig normal ist! Der Himmel ist nunmal nicht unser Lebensraum!

Fühlen Sie sich immer sicher im Flugzeug oder wird es Ihnen auch ab und an unwohl? Gerade bei Turbulenzen.
Ja, ich fühle mich immer sicher! Das Training welches wir durchlaufen zeigt einfach, dass es keine Situationen gibt die nicht unter Kontrolle zu bringen sind!

Werden Sie auf solche Leute mit Flugangst geschult?
Nein. Wir Piloten werden nicht explizit auf Leute mit Flugangst geschult. Bei den Flugbegleitern schaut es da schon etwas anders aus. Ihre zwischenmenschlichen Fähigkeiten werden durchaus auf die verschiedensten Szenarien an Bord geschult und überprüft.

Finden laufende Weiterbildungen bzw. Training von verschiedenen Situationen statt?
Ja. Es finden in regelmässigen Abständen vom Gesetzgeber sogar voreschriebene Trainings und Tests statt, in denen die verschiedensten Situationen an Bord simuliert werden.

Wie lange hat die Fluglizenz Gültigkeit?
Die Fluglizenz zum Führen von Verkehrsflugzeugen hat in Deutschland eine Gültigkeit von einem Jahr. Vor Ablauf dieses Jahres müssen Checkflüge und Theorietests bestanden werden um diese für ein weiteres Jahr zu verlängern.

Wie lange ist die durchschnittliche Arbeitszeit eines Piloten?
Schwer zu beantworten. Es gibt Tage an denen man nur wenige Stunden arbeitet, es gibt aber auch Tage an denen man 14 Stunden, in Ausnahmefällen sogar is zu 16 Stunden arbeitet.

In welchen Alter gehen Piloten in Rente?
Für Piloten gillt generell das gestzliche Rentenalter von 67. Allerdings ist es in fast allen Ländern verboten nach dem Erreichen des 65. Lebensjahres noch komerziell zu fliegen. In Frankreich und Italien z.B. ist das Höchstalter sogar 60 was bedeutet, dass ein deutscher Pilot über 60 auch nicht mehr in französischen Luftraum einfliegen darf.

Haben Sie schon einmal eine Notlandung (Sicherheitslandung) machen müssen? Was war der Grund?
Ja. Beim Start haben die beiden künstlichen Horizonte, die den Piloten die Lage im Raum anzeigen wenn die Sicht nicht ausreicht, zunächst unterschiedliche Anzeigen geliefert und sind dann komplett ausgefallen. Wir haben uns dann am Standby-Instrument orientiert, sind eine Platzrunde geflogen und anschliessend wieder völlig normal in Frankfurt gelandet.

Hatten Sie auch schon einmal Situationen wo Ihr Puls deutlich schneller geschlagen hat?
Selbstverständlich. In allen Situationen wo die Belastung deutlich ansteigt und die nicht alltäglich sind steigt der Puls etwas. Dadurch wird der Körper besser mit Sauerstoff versorgt und der Umgang mit der erhöhten Belastung erleichtert.

Was war bisher in Ihren Berufsleben der gefährlichste Vorfall?
Beim Start in Florenz ist eine sogenannte negative Windscherung (windshear) aufgetreten und hat kurzzeitig den benötigten Auftrieb an den Tragflächen gestört. Deshalb ist das Flugzeug etwas abgesackt und dem Boden deutlich näher gekommen als allen Beteiligten lieb war. Es hat sich aber um eine Situation gehandelt die ständig trainiert wird und deshalb wussten wir genau was zu tun ist und könnten die Situation innerhalb kurzer Zeit entschärfen.

Ist Fliegen bei schlechtem Wetter gefährlich?
Nein! Wäre es gefährlich würden wir nicht fliegen!

Nehmen wir an Sie hatten einen schlechten Tag, sind übermüdet und genervt und sollten nun als Pilot fliegen. Ist es nicht riskant in so einem unkonzentrierten Fall zu fliegen?
Sollte dies der Fall sein, wird natürlich von jedem Piloten erwartet sich vom Dienst abzumelden.